Advent beginnt im September
Donnerstag, 12. September
Schönster Altweibersommer - Noch einmal Menschen in T-Shirt und Sandalen an
den Kiosken und in den Strassencafés. Bisher keine besonderen Vorkommnisse
in der Südstadt von Karlsruhe. Dann plötzlich um 10:47 Uhr kommt der Befehl
von Aldi-Geschäftsfuehrer Erich B.: "5 Paletten Lebkuchen und Spekulatius
in den Eingangsbereich!"
Von nun an überschlagen sich die Ereignisse. Zunächst reagiert
Minimal-Geschäftsfuehrer Martin O. eher halbherzig mit einem erweiterten
Kerzensortiment und Marzipankartoffeln an der Kasse.
15:07 Uhr
Edeka-Marktleiter Wilhelm T. hat die Mittagspause genutzt und
operiert mit Lametta und Tannengrün in der Wurstauslage.
16:02 Uhr
Die Filialen von Penny und Plus bekommen Kenntnis von der Offensive,
können aber aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht gegenhalten
und fordern ein Weihnachtsstillstands-Abkommen bis zum 20. Oktober.
Die Gespräche bleiben ohne Ergebnis.
Freitag, 13. September
07:30 Uhr
Im Eingangsbereich von Karstadt bezieht überraschend ein Esel mit
Rentierschlitten Stellung, während zwei Weihnachtsmänner vom studentischen
Nikolausdienst vorbeihastende Schulkinder zu ihren Weihnachtswünschen
verhören. Zeitgleich erstrahlt die Kaufhausfassade im gleissenden Schein
von 260.000 Elektrokerzen. Die geschockte Konkurrenz kann zunächst nur
ohnmächtig zuschauen. Immerhin haben jetzt auch Kaufhof, REWE und Minimal
den Ernst der Lage erkannt.
09:00 Uhr
Edeka setzt Krippenfiguren ins Gemüse.
09:12 Uhr
Minimal kontert mit massivem Einsatz von Rauschgoldengeln
im Tiefkühlregal.
10:05 Uhr
Bei Kaufhof verirren sich dutzende Kunden in einem Wald
von Weihnachtsbäumen.
12:00 Uhr
Neue Dienstanweisung bei REWE: An der Käsetheke wird mit
sofortiger Wirkung ein "Frohes Fest" gewünscht. Die Schlemmerabteilung
von Kaufhof kündigt für den Nachmittag Vergeltungsmaßnahmen an.
Samstag, 14. September
07:00 Uhr
Karstadt schaufelt Kunstschnee in die Schaufenster.
08:00 Uhr
In einer eilig einberufenen Krisenversammlung fordert der aufgebrachte
Penny-Geschäftsführer Walter T. von seinen Mitarbeitern
lautstark: "Weihnachten bis zum äußersten" und verfügt
den pausenlosen Einsatz der von der Konkurrenz gefürchteten CD
"Weihnachten mit Mireille Matthieu" über Deckenlautsprecher.
Der Nachmittag bleibt ansonsten ruhig.
Montag, 16. September
08:00 Uhr
Anwohner der Schaufelder Strasse versuchen mit Hilfe einer
einstweiligen Verfügung die nun von Kaufhof angedrohte Musikoffensive
"Adventssingen mit den Flippers" zu stoppen.
09:14 Uhr
Ein Aldi-Sattelschlepper mit Pfeffernüssen rammt den
Posaunenchor "Adveniat", der gerade vor Karstadt zum
großen Weihnachtsoratorium ansetzen wollte.
09:30 Uhr
Aldi dementiert. Es habe sich bei der Ladung nicht um
Pfeffernüsse, sondern Christbaumkugeln gehandelt.
18:00 Uhr
In der Stadt kommt es kurzfristig zu ersten Engpässen in der
Stromversorgung, als der von C&A beauftragte Rentner Erwin Z. mit seinem
Flak-Scheinwerfer Marke "Varta Volkssturm" den Stern von
Bethlehem an den Himmel zeichnet.
Dienstag, 17. September
Die Fronten verhärten sich, die Strategien werden zunehmend aggressiver.
10:37 Uhr
Auf einem Polizeirevier meldet sich die Diabetikerin Anna K. und
gibt zu Protokoll, sie sei soeben auf dem Platz von Lidl zum Verzehr von
Glühwein und Christstollen gezwungen worden. Die Beamten sind ratlos.
12:00 Uhr
Seit gut einer halben Stunde beschießen Karstadt, Kaufhof und
C&A die Einkaufszone mit Schneekanonen. Das Ordnungsamt mahnt die
Räum- und Streupflicht an. Umsonst!
14:30 Uhr
Teile des Stadtbezirks sind unpassierbar. Eine Hubschrauberstaffel des
Bundesgrenzschutzes beginnt mit der Bergung von Eingeschlossenen.
Menschen wie du und ich, die nur mal in der schönen Herbstsonne
bummeln und in der Eisdiele ein leckeres Eis genießen wollten. |